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Was haben die denn beim BGH geraucht?

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Philipp Obladen
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Was haben die  beim BGH denn geraucht?

Öffentlichkeitswirksam hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23.12.2015, Az.: 2 StR 525/13 entschieden, dass der Handel mit elektronischen Zigaretten, sog. E-Zigaretten, strafbar sei, da er gegen § 52 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 und 3 des Vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG) verstoße. Hintergrund hiervon ist, dass E-Zigaretten Zusatzstoffe enthalten, die nach der Tabakverordnung nicht, bzw. nicht nur in sehr begrenztem Umfang, zugelassen sind.

Die E-Zigaretten-Industrie schreit auf und möchte dem Urteil trotzen und fleißig weiterverkaufen. Manch ein E-Zigaretten-Nutzer mag nämlich denken: Was haben die denn in Karlsruhe geraucht? Sind die etwa völlig benebelt? Im Ergebnis ist die Entscheidung des BGH jedoch gut nachvollziehbar und richtig.

Alles neu macht der Mai mit der EU-Tabakrichtlinie

Seitens des E-Zigaretten-Handels wird große Hoffnung in die EU-Tabakrichtlinie gesteckt, die ab Mai 2016 in Deutschland gültig sein wird. Diese wird den Handel mit E-Zigaretten mit dann angepassten Richtwerten für Zusatzstoffe erlauben. Das Urteil des 2. Strafsenates dürfte daher weder historisch noch bahnbrechend sein.

Auswirkungen des Urteils auf die Shisha-Branche

Gleichwohl enthält das Urteil viele interessante (und im Übrigen völlig zutreffende) Argumente, da sich das höchste deutsche Gericht sehr intensiv mit einigen  zentralen Begriffen und der Systematik der Tabakverordnung auseinandersetzt. Wesentliche Argumente der Karlsruher Richter lassen sich nämlich auf eine ähnliche Problematik einer verwandten Branche übertragen: auf die Shisha-Tabak-Branche.

Shisha-Tabak = Rauchtabak?

Obwohl der Verkauf von feuchtem Shisha-Tabak in Deutschland verboten sein dürfte, ist er an jeder Ecke erhältlich. Damit Shisha-Tabak rauchbar ist, muss er feucht sein. Diese Feuchtigkeit wird mit Feuchthaltemitteln wie Glycerin erzeugt. Importierter Shisha-Tabak enthält dabei einen Glycerinanteil von oftmals über 50 %. Nach der Tabakverordnung sind jedoch nur maximal 5 % erlaubt.

Die Tabakverordnung nennt nicht explizit die Anwendbarkeit auf Shisha-Tabak.Shisha-Tabak-Hersteller versuchen daher zu argumentieren, dass der Wasserpfeifentabak nicht unter die Tabakverordnung falle. Er sei kein Rauchtabak im Sinne der Tabakverordnung, bzw. er sei nicht zum anderweitigen oralen Gebrauch im Sinne der Tabakverordnung bestimmt. Der Einordnung von Shisha-Tabak als Rauchtabak wird oftmals entgegengehalten, dass dieser nicht verbrannt werde – vielmehr finde ein Verdampfungsprozess statt.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch nun in seiner E-Zigaretten-Entscheidung sehr umfangreich klargestellt, dass E-Zigaretten jedenfalls zum anderweitigen oralen Gebrauch bestimmte Tabakerzeugnisse sind. Diese Erwägungen sind auf Shishatabak durchaus übertragbar:

Der Bundesgerichtshof führt aus:

Das Merkmal des anderweitigen oralen Gebrauchs ist [..] als zusätzliches Auffangmerkmal neben Rauchen und Kauen eingeführt worden. Es ist als Auffangbegriff weit auszulegen. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Änderung der Richtlinie [...] Rechnung tragen, wonach Tabakerzeugnisse auch anderen Bestimmungszwecken als zum Rauchen, Kauen oder Schnupfen dienen können (BT-Drucks. 16/6992, S. 13). Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 VTabakG ist die dortige Definition jedoch nicht dieselbe wie in der Richtlinie, welche keinen „anderweitigen oralen Gebrauch“ als Rauchen oder Kauen nennt, sondern als Konsumformen nur Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen vorsieht. Gemeinsam ist den Begriffen die Aufnahme flüssiger oder flüchtiger Stoffe durch Mund oder Nase in die Speiseröhre oder in die Atemwege. Lutschen oder Kauen sind nicht die einzigen Möglichkeiten des gegenüber dem Rauchen anderweitigen oralen Gebrauchs. Eine Gleichsetzung der Begriffe aus der europäischen Richtlinie mit den Begriffen im innerstaatlichen Gesetz entspräche nicht dem Wortlaut des § 3 VTabakG. Sie ist mangels Vollharmonisierung auch nicht zu einer richtlinienkonformen Auslegung dieses Gesetzes erforderlich. Die Bestimmung der Verbrauchsstoffe zum oralen Gebrauch ergibt sich bei der Benutzung elektronischer Zigaretten daraus, dass der Konsument nikotinhaltigen Dampf durch den Mund in seinen Körper einbringt. Das Adjektiv oral als Wortbildung aus dem lateinischen Begriff „os“ (Mund) bezeichnet in der Medizin nicht nur allgemein die Zugehörigkeit zum Mund, sondern erfüllt auch die Funktion von Lage- oder Richtungsbezeichnungen. Entscheidend ist hier die Nikotinaufnahme durch den Mund in den menschlichen Körper im Gegensatz zu einer Stoffaufnahme über die Haut, durch Injektion oder über andere Körperöffnungen. Beim Einatmen von nikotinhaltigem Rauch oder nikotinhaltigen Dämpfen gelangt das Nikotin gleichermaßen durch den Mund und damit „oral“ in die Lunge und in den Blutkreislauf. Der weitere Weg des toxischen Stoffes ist an dieser Stelle unerheblich. Es ist weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach seinem Zweck ersichtlich, dass ein „anderweitiger oraler Gebrauch“ nur vorliegen soll, wenn Nikotin, wie bei Snustabak, ausschließlich über die Mundschleimhäute in den Kreislauf der Körperflüssigkeiten aufgenommen wird. Andernfalls wäre auch das Rauchen durch Einatmen von Gasen kein oraler Gebrauch. Nach der Fassung des Gesetzes handelt es sich aber beim Rauchen gerade um einen typischen Fall des oralen Gebrauchs. Der Ansicht, eine Inhalation von Dämpfen statt Rauch stelle keinen Fall der oralen Aufnahme von Nikotin als Tabakerzeugnis dar (vgl. Volkmer, PharmR 2012, 11, 15; Stollmann, NVwZ 2012, 401, 404; Kasper/Krüger/Stollmann, MedR 2012, 495, 500; Beckemper, NZWiSt 2013, 121, 122), ist deshalb nicht zuzustimmen (vgl. Krüßen, PharmR 2012,143, 144 f.). § 3 Abs. 1 VTabakG enthält keine substanzbezogene Differenzierung zwischen Aerosolen mit flüssigen oder festen Schwebeteilchen.

BGH, aaO.

Verkauf von Shisha-Tabak strafbar?

Damit dürfte es im Ergebnis also nicht darauf ankommen, ob Shisha-Tabak nun Rauchtabak oder Tabak zum anderweitigen oralen Gebrauch darstellt. Handelt es sich um Rauchtabak, darf Wasserpfeifentabak nicht mehr als 5 % Feuchthaltemittel enthalten. Handelt es sich um ein Tabakerzeugnis zum anderweitigen oralen Gebrauch, dürften gar keine Feuchthaltemittel in ihm enthalten sein. Damit ist ein Großteil des in Deutschland erhältlichen Shisha-Tabaks illegal. Interessant ist in diesem Zusammenhang im Übrigen auch, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes bereits das Vorrätighalten zum Verkauf ein Inverkehrbringen im Sinne des VTabakG darstellt. Damit dürften sich also nicht nur Importeure und Hersteller von feuchtem Shisha-Tabak strafbar machen, sondern auch die Händler selbst.

Philipp Obladen
Philipp Obladen
Rechtsanwalt Obladen ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Seine Ausbildung führte von Salt Lake City/USA über Singapur und Marburg schließlich nach Köln, wo er sein 1. Staatsexamen absolvierte. Sein 2. Staatsexamen legte er vor dem Landesjustizprüfungsamt in Düsseldorf ab. Seit Anbeginn seiner anwaltlichen Tätigkeit ist Rechtsanwalt Obladen nahezu ausschließlich auf den Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes, sowie des Medien- und Urheberrechts tätig.
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